Tag: Akupunktur

Akupunktur ― Handwerk mit Tradition

Ursprünglich kam ich vor 26 Jahren auf der Suche nach einem Kyudo (japanisches Bogenschießen) Lehrer nach Japan, dem ersten und einzig bestimmten Abschnitt einer geplanten Weltreise. Aus der Reise ist inzwischen ein permanenter Aufenthalt mit “Kind und Kegel” geworden.

Ein starkes, seit 15 bestehendes Interesse für orientalische Philosophie, bildete die Motivation ca. 2 Jahre nach meiner Ankunft in Japan eine 3-jährige Fachausbildung in Akupunktur, Moxibustion und Shiatsu zu absolvieren, die nach einem Staatsexamen mit dem Erwerb der entsprechenden Lizenzen (insgesamt DREI) endet, um so aus Interesse einen Beruf (ich denke da an “Berufung”) zu machen. Anschließend verbrachte ich noch vier weitere Jahre mit “praktischen Studien” in einem großen Krankenhaus und habe seit ca. 10 Jahren eine eigene sehr kleine Praxis (eine der SEHR wenigen von westlichen Ausländern geleiteten).

Die japanische Form der Akupunktur im engeren Sinne kann sich auf eine etwa 1500-jährige Tradition berufen. Trotz der relativen geographischen Nähe hat dies zu nicht unerheblichen Unterschieden in der Entwicklung in China und Japan geführt. Da die Chinesen sich jedoch wesentlich besser zu verkaufen wissen als die Japaner, wird die Welt derzeit fast ausschließlich durch chinesische Konzepte beherrscht. Dabei werden nicht selten Konzepte und Techniken als TCM (traditional Chinese medicine) ausgeben, die anderweitig entwickelt wurden. Die chinesische Akupunktur verwendet wesentlich dickere Nadeln als die Japanische und viele Ausländer, auch wenn sie körperlich größer und robuster erscheinen als Japaner, lassen sich diese dicken Nadeln nicht so gern gefallen. Daher ist es wahrscheinlich auch kein Zufall, dass meines Wissens viele (die meisten?) Akupunkteure in Deutschland Nadeln japanischer Herstellung verwenden.

Die weniger bekannte Moxibustion bedient sich eines aus Beifuß gewonnenem Fasermaterials, dass zu kleinen Kegeln gedreht und auf der Haut verbrannt wird (inzwischen gibt es offenbar auch das Verb moxen” im Deutschen). Da dies natürlich zu (erwünschten!) Verbrennungen führt, sind diverse Firmen mit tausenderlei Produkten auf den Markt gekommen, bei denen es nicht zu Verbrennungen kommt. Das ist vielleicht auch nicht schlecht, meines Erachtens nach aber nicht „richtig”. Moxibustion ist eine Neubildung aus Moxa” (japanisch für Beifuß) und combustion” und wird als solche weltweit offenbar häufiger verwendet als der entsprechende chinesische Begriff.

Bei der Akupunktur werden bekannterweise dünne Metallnadeln (japanisch meist 0,018-0,24 mm, chinesisch 0,3-0,4 mm) durch die Haut in den Körper eingeführt (nicht bei kleinen Kindern). Die Metallnadeln wirken dort auf Nerven ein, wo sie zwar auch lokale Einflüsse ausüben, die “eigentliche” Wirkung jedoch hervorgebracht wird, indem Signale zum Gehirn gesandt, dort verarbeitet und andere Signale wieder zum Körper zurückgeschickt werden. Wenn Nerven ausgeschaltet werden, zum Beispiel durch Lokalanästhetika, gibt es auch keine Wirkung mehr. Ein weithin bekannter Mechnismus besteht in einer Stimulation der Produktion körpereigener morphinähnlicher Substanzen (Endorphine etc.), die ihrerseits schmerzlindernd wirken. Meinen Patienten erkläre ich die Wirkung der Nadeln immer gern so, dass die Nadeln in der Peripherie über eine Art Telefonleitung das Gehirn anrufen und dort die zuständigen Stellen dazu auffordern, Änderungen im „Körperprogramm“, „Straßenreparaturen“ oder „Fortbildungsseminare“ durchzuführen. Dies macht es oft verständlicher, warum eine Nadel im Fuß auf den Kopf oder den Rücken wirkt.

Die Moxibustion stimuliert zwar auch die Nerven, aber der eigentlich interessante Effekt wird durch die besagten Verbrennungen hervorgerufen. Diese führen zur thermischen Zerstörung von Zellen, so dass deren Inhalt freigesetzt wird. Obwohl es sich hier um körpereigenes Material handelt, befindet sich dieses nun nicht mehr wie vorgesehen innerhalb der Zellen. Damit wird ein Teil der normalen Immunabwehr aktiviert, der für den Abbau derartiger Produkte zuständig ist. Der gesamte Prozess ist eine Serie chemischer Reaktionen von in Wasser gelösten Substanzen. Diese verbleiben natürlich nicht am Ort der Verbrennung, sondern werden über weite Strecken durch den Körper transportiert, wo sie wiederum ihre jeweiligen Wirkungen hervorrufen. Daher werden die Wirkungen der Moxa Behandlung auch nicht durch Lähmungen oder dergleichen gestört und führen sekundär zu positiven Veränderungen der Immunlage.

(Hinsichtlich weiterer Einzelheiten möchte ich auf die Fachliteratur verweisen.)  

Orientalische Therapieformen werden oft als „balance medicine” bezeichnet, weil dabei angestrebt wird, angenommene oder auch tatsächlich vorhandene Ungleichgewichte zu korrigieren. Manchmal wird dieser Umstand auch, vielleicht leichter verständlich und moderner so ausgedrückt, dass die orientalische Medizin funktionelle nicht aber organische Störungen (z.B. Knochenbruch) beheben kann. 

Ich bin davon überzeugt, dass es sich hier im Sinne des Wortes um ein HAND-WERK handelt. Eine Arbeit die mit den Händen durchgeführt wird und die Funktion der Hände einfach nicht durch akademische Bemühungen (Kopfarbeit) ersetzt werden kann. Wahrscheinlich werden zahlreiche großartige Akupunkteure der Welt nie bekannt werden, weil sie nie etwas schreiben. Als Therapeuten sind diese jedoch vertrauenswürdiger als die zahlreichen Akademiker, die es eher im Kopf als in den Händen haben.

In einem zukünftigen Newsletter würde ich lieber, falls Bedarf besteht, konkrete Probleme besprechen, oder kann auch außerhalb des Newsletter über meine Webseite / Mail individuelle Beratung und Hilfe (soweit möglich) anbieten (www.einklang.com).

Pierces – eine Frage von einer Patienten

Kürzlich hat mir eine Patientin, die sie für natürliche Therapieformen und Lebensweisen interssiert, die folgenden Frage gestellt: “Eine Freundin möchte sich Pierce in die Ohren machen. Wäre das wohl in Ordnung? Akupunkteure verwenden immer Nadeln für ihre Behandlung , um sogenannte Akupunkte auf der Körperoberfläche zu “piercen” (aus dem Lateinischen: acus = Nadel und pungere / punctura = puncture, pierce) zu stechen. Neben etwa 360 “klassischen” Punkten gibt es auch eine ständig wachsende Zahl von “neu” entdeckten weiteren Punkten auf dem Körper.

   In dem sehr begrenzten Bereich des Ohres, das auch als holographische Darstellung des gesamten Körpers betrachtet wird, finden sich ebenfalls mindestens 40-50 häufig verwendete Punkte. Allerdings haben die gewöhnlich für die Akupunktur verwendeten Nadeln nur einen Durchmesser zwischen 0,18 and 0,22 mm (Länge zwischen 40 and 50 mm ) und die für das Ohr verwendeten Nadeln sind noch dünner und wesentlich kürzer. Nun bedenken Sie einmal die Proportionen der Dinge, die sich manche Menschen in die Ohren, Nase, Zunge oder anderswo hinmachen lassen im Vergleich zu den für die Akupuntur verwendeten Nadeln. 

   Als Akupunkteur, ganz abgesehen von meiner privaten Ansicht, muss ich daher stark von jeder Form des Piercing abraten. Aber die endgültige Entscheidung liegt natürlich bei Ihnen.

丸皮鍼,鍼の長さ: 1.5 mmこのような鍼は通常「耳鍼」に使われる。

皮内鍼:長さ 9 mm,太さ 0.18 mm比較すると、ピアースはとんでもないものです。

Akupunktur – Tradition im Ausverkauf …

Akupunktur hat in Japan inzwischen eine etwa 1500-jährige Tradition. Gemeinsam mit der Kampo genannten “chinesischen Medizin” (zum Einnehmen) wie sie in Japan verwendet wird und sich somit von der “chinesischen Medizin” in China unterscheidet, bildeten diese Formen der orientalischen Medizin, wiederum natürlich in Verbindung mit den verschiedensten Formen der Volksmedizin, für 1350 Jahre die Hauptströmung der medizinischen Versorgung in Japan. Es gab ja nichts anderes. Die “westliche Medizin” ist hierzulande erst seit ca. 150 Jahren verfügbar und wurde von den zuständigen Regierungsbehörden über den besagten Zeitraum als “einzig wahre Medizin” verbreitet. 
Zwischenzeitlich gab es ja auch bekannterweise offizielle (von Regierungsseite) Versuche, die orientalische Medizin vollständig abzuschaffen / verbieten.

Wie dem auch sei, jedenfalls handelt es sich hier um richtig “gediegenes” Handwerk mit der besagten 1500-jährigen Tradition. Diese Form der medizinischen Versorung hat sich über 1500 Jahre wieder und immer wieder bewährt und als wirksam erwiesen (das ist übrigens auch das Thema meiner Klinik).
Daher sollte es heutzutage eigentlich überhaupt nicht erforderlich sein, für diese Behandlungsform Werbung zu machen.
Dachte ich.

Weit gefehlt.
Sogenannte “orientalische Medizin” – wobei ich dabei häufig nicht weiss, wovon überhaupt geredet wird – ist im Moment gerade große Mode. Das heißt, es gibt unzählige Leute, die eine Lizenz erwerben und dann exotische, neuartige Therapieformen praktizieren. 
Während Akupunktur fast immer vollständig vom Patienten getragen werden muss, können sich Kliniken zum Knocheneinrichten (Sekkotsuin = Chiropraktikklinik; oder Seikotsuin = Osteopathieklinik) auf ihr Schild schreiben, dass darin ALLE Arten von Versicherung akzeptiert werden. Folglich gehen die meisten Patienten Heute zu den Sekkotsuin, wo sie für eine Behandlung ca. 5 Euro zahlen und nicht zum Akupunkteur, wo die Behandlung 40 Euro kostet. 

Diese Sekkotsuin laufen entsprechend gut, so dass sie buchstäblich wie die Pilze aus dem Boden schießen. Rund um meine Praxis herum natürlich aus. Traditionelle Verhaltensweisen, wie sich vor Eröffnung einer solchen Klinik bei den bereits laufenden Kliniken vorzustellen, sind inzwischen VÖLLIG ausgestorben. Ich habe das bei Eröffnung meiner Klinik damals noch gemacht …

Massenweise “Billigware” als Konkurrenz führt dann (natürlich) dazu, dass meine Klinik immer schlechter läuft. Auch wenn ich mich noch NIE darum bemüht habe, hier “Geld zu machen*”, stört mich dies dann doch. 
* (http://www.einklang.com/Kanpo2003.htm) (auf Japanisch)

Vor kurzem habe ich einmal versucht, mich nach eine Teilzeitbeschäftigung als Akupunkteur hier in Japan umzusehen. Akupunkturkliniken, die nach Personal suchen, habe ich eigentlich noch nie gesehen. Immer nur die besagten Kliniken zum Knocheneinrichten, oder aber Orthopädiekliniken, die irgendwo einen sogenannten Rehabilitationsraum mit haufenweise Maschinen/Geräten haben, durch den vormittags etwa 100 “Patienten” geschleust werden müssen, damit es sich bezahlt macht. (Das haben mir die Leute in diesen Kliniken selbst gesagt.) Die Aufgabe des Akupunkteurs besteht dann darin, die Leute an irgendeine dieser Maschinen anzuschließen, den Zeitschalter auf 10 Minuten einzustellen und danach die Leute wieder freizusetzen.
Bei meinen kürzlichen Versuchen zeigte sich, dass die Bezahlung für Personen mit einer Akupunkturlizenz bei etwa 900-1000 Yen/Stunde (ca. 9-10 Euro) liegt. Das ist die gleiche Bezahlung, die absolut ungelerntes Personal im “Convenience Store” oder an der Tankstelle bekommen. 
30 Jahre Übung, Studieren, klinische Praxis sind also buchstäblich ***NICHTS*** wert. Denn Leute, die überhaupt nicht studiert und/oder gar keinen Beruf erlernt haben, bekommen das gleiche! Dann frage ich mich, wozu die 30 Jahre Bemühungen den eigentlich gut waren. Und darauf folgt auch wieder die Frage: Warum soll ich diese Arbeit überhaupt machen?

Aus Stellenanzeigen ist ersichtlich, dass Krankenpfleger in der Regel offenbar 1500-2000 Yen/Stunde erhalten und auch ein gewöhnlicher Zimmermann verdient mindestens so viel wenn nicht mehr. 

Hierzu gibt es nun sicherlich zahlreiche Ansichten, Denkansätze etc. aber ich persönlich habe zunächst einmal den Eindruck, dass hier ein äußerst fundiertes Handwerk mit 1500 Jahre Tradition einfach nur für Dumm verkauft wird – im Ausverkauf als Ramsch auf dem Grabbeltisch angeboten.

Irgendwann werden die Leute = Patienten aber unter Umständen merken, dass die Billigware nicht unbedingt immer von der besten Qualität ist …..